Mortis' Gier war unersättlich. Aus dem Ablecken wurde ein Nagen, ein Saugen, pure Begierde, zusammengefasst in der wilden Bewegung eines auf der schmalen Linie der Ekstase wandernden Liebhabers. Die letzten Reste der Tankflüssigkeit rann an Mortis' nacktem Körper hinab, seine nassen Haare klebten ihm im Gesicht und auf dem Rücken, gerieten zwischen der Wunde und den Lippen des Jungen und verfärbten sich rot. Dazu der Geruch des Bluts, der metallische Geschmack, das Gefühl des noch körperwarmen Bluts. Es war perfekt. Ein Biss. Nicht mehr. Mortis' Zähne durchdrangen Caes' Haut, als sei es Butter. Auf der primitiven Suche nach der Erlösung von der Gier hatte sein Instinkt gnadenlos zugeschlagen, ebenso wie seine Zähne. Vampirgleich verbiss er sich im Hals des Secs, von Begierde geschüttelt, getrieben, aufgehetzt.
Ah-nghh! Caesarion keucht auf, als Mortis zubeißt, lächelt dann aber. Perfekt. Er hat Mortis genau da, wo er ihn haben wollte. Für einen perfekten Moment hat er Mortis ein Gefühl vollkommenen Glücks geboten... der durchaus sichtbaren Reaktion des Jungen zufolge das ERSTE Gefühl. Das, was der Junge nie vergessen wird! Von diesem Moment an würde Mortis immer an ihn, an sein Blut denken, wenn er dieses Gefühl bekäme. Für Caes ein absolut befriedigender Moment Schluß, du Kreatur! Er richtet sich urplötzlich auf, ungeachtet der Tatsache, dass der Junge sich in ihn verbissen hat. Er schleudert Mortis von sich auf den Boden und richtet sich auf. Nun glänzt selbst durch seine Implantate hindurch das Gold seiner Augen auf. Verächtlich tritt er mit der Stiefelspitze gegen Mortis Körper. Beherrsch dich, Mortis! Deine Gier liefert dich aus... und Gier wird dich ab jetzt immer begleiten. Auch wenn du mein Sohn bist - mein Blut bekommst du in Zukunft nur noch, wenn ich auch Grund zur Zufriedenheit habe...
Fauchend landete Mortis auf dem kalten Boden. Seine Muskeln spannten sich schlagartig an, doch er war nicht schnell genug, um Caes' Stiefel zu entgehen. Wie ein geschlagenes Tier wich er zurück, geschickt, doch auf allen Vieren. An seinem Mundwinkel entlang lief ein Rinnsal von Caes' Blut und tropfte von seinem Kinn auf den Boden. Er bebte am ganzen Körper. Ob von der Kälte der Fliesen, der Gier nach Blut oder der Wut auf Caes, dass er ihm selbiges verwehrte, das wusste er nicht. Er schüttelte den Kopf, ließ seine blonden Haare in alle Richtungen fliegen, bevor sie klatschend auf seinem Rücken landeten. Seine goldfarbenen Augen blitzten wild auf. Er wollte mehr. Sein ganzer Körper gierte danach, seine Gedanken schrien. Gib mir mehr!, fauchte der Junge, diesmal klang es weniger nach Tier denn nach Mensch, und diesmal war es mehr ein ganzer Satz als ein einzelndes Wort. Er spannte seine Muskeln an und katapultierte sich hoch, Richtung Caes. Doch die Tatsache, dass er noch nie gestanden hatte, hatte er außer Acht gelassen, das dazu führte, das er stolperte und sich grob an Caes' Oberarm festkrallte, um nicht vor den Weißkitteln auf den Boden zu fallen.
Du bekommst mehr, wenn du es verdienst! gibt Caes mit einem grausamen Lächeln zurück. Nun hat er also etwas, das er Mortis geben oder verwehren kann. Keine Stärke ohne eine entsprechende Schwäche... eine Grundregel, die den Umgang mit seinen Leuten lächerlich einfach macht. Er mustert den blonden, blutverschmierten Jungen verächtlich Sieh dich an! Kaum auf den Beinen, halbnass, wie ein Vieh am Boden... stell dich hin, zieh das hier an und dann machen wir die ersten Testtrainings. Hinterher reden wir dann weiter...
Mortis funkelte Caes an. Man könnte den Ausdruck, der in seinen Augen lag, als Hass bezeichnen, doch das war es nicht. Viel eher eine tiefe Verachtung, und doch gleichzeitig das paradoxe Gefühl der Abhängigkeit. Er schielte zu der noch blutenden Wunde hin, doch sie war in unerreichbarer Ferne. Stattdessen lenkte eine Geste seitens Caes seine Aufmerksamkeit auf ein Bündel Stoffs. Vorsichtig ließ er den Sec los und ging halb, stolperte halb zu den Klamotten und riss sie wortlos aus ihrer ordentlichen Lage, den Blick noch immer auf Caes gerichtet. Er musterte den Sec, dann Aerlinn, dann Aeon, jeden mit dem gleichen, kalten, abweisenden Blick. Dann verschloss er sich wieder, Emotionslosigkeit nahm die Verachtung ein, und er richtete seine Konzentration auf die Klamotten vor ihm. Teils mit Gewalt, teils mit Fingerfertigkeit zog er sich zum ersten Mal an und bewegte sich dabei mir immer fließenderen Bewegungen. Dann schüttelte er kurz seinen Kopf, knurrte leise und schoss plötzlich vorwärts, Richtung Aerlinn, mit halb geschlossenen Augen und absoluter Kälte in den Augen.
Er lernt dazu. stellt Aerlinn zutiefst befriedigt fest. Als Mortis auf ihn zurast hebt er nor die Brauen und befiehlt mit einem lässigen schlenker seiner Hand Caesarion. Der Sec hat Mortis' Bewegungnen sehr genau verfolgt, genauso wie das Wechselspiel von dessen Gefühlen. Als Aerlinn ihn zum Schutz befiehlt bewegt er sich blitzschnell und bleibt vor ihm stehen. Eine weitere Ohrfeige wäre jetzt eigentlich fällig. Stattdessen setzt Caes Emphatie ein und seine Stimme klingt metallicher und kälter denn je - das Gefühl ist allemanl schlimmer als eine Ohrfeige. Nächste Lektion - keine Kraft auf nutzlose Ziele. An ihn kommst du niemals heran!
Schlitternd blieb Mortis stehen und vermied einen Zusammenstoß mit Caes im Haaresbreite. Er funkelte in die Richtung, wo Aerlinn sein müsste, ungeachtet dessen, dass Caesarion zwischen ihm und dem Forscher steht. Der Junge atmet tief durch, und man hörte deutlich, dass sein Atem zitterte, während er seine Kontrolle über sich wieder erhielt. Er richtete sich auf. Aufrecht, angespannt stand er vor dem Sec, und betrachtete diesen durchdringend, dann verschwand abermals jeglicher Ausdruck aus seinem Gesicht. Es wirkte, als würde er jegliche Gefühle abschalten oder einfach vergessen, Gefühle zu zeigen. Es schien, als würde er nicht fühlen, und doch könnte er im nächsten Moment anfangen, Aerlinn bestialisch zu zerstückeln. Ein Knurren konnte er dennoch nicht unterdrücken. Keine Kraft auf nutzlose Ziele., wiederholte er, tonlos, regungslos.
Das lernst du schon noch... und wenn ich dich dafür persönlich durch eine selbstentwickelte Hölle schicke. lächelt Caes. Dieser Junge ist schlechthin brillant. Er ist begabt, klug, beobachtet gut und zeigt viel versprechende Anlagen. Um so härter wird seine Ausbildung werden müssen, wenn er irgendwann Caes' Ansprüchen genügen soll. Es gibt Ziele, mit denen man spielt. Es gibt Ziele, die abgearbeitet werden und es gibt Menschen die keine Ziele werden dürfen. Das ist alles, was du für den Moment wissen musst. Alles andere ergibt sich von selbst!
Moris' Blick verharrte auf Caes, während er dessen Worte überdachte. Sein Blick huschte zu Aerlinn, den er kurz hinter Caes erhaschen konnte. Dann schaute er auf Aeon und musterte diesen eindringlich. Er legte leicht den Kopf schief, als er die Situation überdachte. Kein Ziel., meinte er und deutete auf Aerlinn, dann trat er einen Schritt zur Seite, um sich dessen Gesicht einzuprägen. Als wolle er sich merken, dass dieser Forscher niemals von ihm angegriffen werden dürfe. Es gäbe sonst kein Blut, soviel konnte er sich denken. Dann schaute er hinüber zu Aeon. Das Weiß stach in seinen Augen. Ein solches Weiß trug auch das andere Kein-Ziel. Er deutete auf Aeon. Auch kein Ziel. Gut.
Du lernst sehr schnell, mein Hübscher. Caes tritt noch mal einen Schritt dichter zu Mortis und hebt die Hand, tätschelt ihm aber nur boshaft grinsend die Wange. Mal sehen, wie du dich weiter machst... komm mit. Es wird Zeit, dir etwas neues zu zeigen. Etwas, das dir zweifellos gefallen dürfte... Caesarion sieht kurz zu Aerlinn Zweifellos. nickt der mit einem zynischen Grinsen. Deus, gib Anweisung, ein paar Mäuse für Trainingsraum drei bereit zu halten. Und wir werden eventuell einen Delinquenten brauchen. Vielleicht ist der Kleine vielversprechender, als es die Simulationen berechnet haben... Caesarion lächelt noch ein wenig finsterer als Aerlinn das sagt. Also würde er Mortis zum gleichen Trainingsraum bringen wie damals Ascar ehe sie sich auf Sally stürzte...
Mortis zuckte leicht knurrend mit dem Kopf nach hinten, als Caes ihm die Wange tätschelte. Widerstandsgeist funkelte in seinen Augen auf, doch die bloße Gier nach Blut hielt ihn zurück. Er wusste, er könnte sich das Blut nicht holen. Er müsste es... bekommen. Sie sprachen. Schon wieder. Er lauschte mit leicht schiefgelegtem Kopf, die Augen wieder halb geschlossen. Etwas dürfte ihm gefallen. Mäuse. Trainingsraum. Vielversprechender. Nur einzelnde Worte oder Satzfetzen dringen in sein Verständnis. Doch allein diese ließen schon pure Neugierde in ihm entfachen. Doch er zeigte es nicht. Auch entging ihm das finstere Lächeln von Caes nicht, und seine Warnglocken läuteten. Bedeutete dies, dass er wieder Blut erhalten konnte? Mehr..., flüsterte er leise, beinahe unhörbar.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Oh ja, du bekommst mehr! nickt Caes. Sein Lächeln ist mit hintergründig noch untertrieben beschrieben. Selbst der Sec ist innerlich gespannt, wie Mortis auf die Mäuse reagieren wird. Und wie auf Menschen. Komm... meint er nur und geht mit leichten Schritten voraus in Richtung einer siebeneckigen Kammer, teils aus Stahl, teils aus verspiegeltem Panzerglas. Hinter einigen der hermetisch abgeschlossenen Glaswände huschen und fiepen kleine Mäuse mit nervös vibrierenden Schnurrhaaren hin und her. Caes beobachtet sie ohne jedes Interesse für einen Moment, aber seine Aufmerksamkeit gilt Mortis. Mit einer Handbewegung bedeutet er dem Jungen in die Kammer hinein und auf die weggesperrten Mäuse zuzugehen, auch wenn er sie im Moment nur sehen kann.
Mortis Blick wanderte einen Moment durch den Raum, blieb an jeder Ecke hängen, schien sie zu zählen. Dann fanden seine Augen die Mäuse. Einen Sekundenbruchteil lang flackerte Interesse in ihnen auf, doch dann mimte er wieder den Abwesenden. Doch sein Herz begann zu rasen, Blut rauschte durch seine Ohren. Die hektischen, flinken Bewegungen der Mäuse luden ihn ein, sie zu verfolgen, so jagen, zu fangen und... Er trat in den Raum ein. Sein Schritt war locker, beinahe lässig. Er legte die Hände auf seine Hüfte, ließ seinen langen Pony vor seinen Augen hängen, um die ab und an aufblitzende Begierde zu verbergen. Äußerlich verriet gar nichts, dass er irgendein Interesse an den Mäusen besaß. Er schien sie nur zu betrachten wie ein Zoobesucher Tiere betrachtet. Vielleicht noch gelangweilter. Doch innerlich war er auf höchster Anspannung...
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Kein Interesse? fragt Caesarion scheinheilig und betätigt ein paar Knöpfe. Nun kann man die Mäuse nicht nur sehen sondern auch hören und riechen... man hört das hastige Tappeln ihrer kleinen rosa Füße, höst wie sie rascheln und ängstlich quieken, riecht den Duft von Holzspielwaren und Mäusen in der sterilen Luft und sieht wie ihre kleinen, schimmernden Knopfaugen sich immer wieder suchend umsehen... suchend nach einer Bedrohung, von der sie wissen, dass sie da ist, die sie aber nicht sehen können. Du allein entscheidest, ob du weiter hineingehst. Ich werde dir nicht sagen was du tun sollst. Was ich von dir will. Das musst du jetzt selbst erraten... erklärt Caes mit einem liebenswürdigen Lächeln, als würde er einem zehnjährigen das einmaleins erklären. Du musst jetzt entscheiden, Mortis... Entscheiden, was stärker ist. Vorsicht? Vernunft? Gier? Mordlust? Macht ist ein wunderbarer Faktor... Caes lächelt innerlich, als er den Jungen beobachtet.
Mortis drehte seinen Kopf halb zu Caes, sodass dieser sein Profil sah. Das Profil eines desinteressierten, beinahe schon gelangweilten Jugendlichen, dessen längere Haare Eltern provozieren würden. Einzig und allein die goldfarbenen Iriden stachen aus dem sonst fast normal wirkenden Gesicht heraus. Ein kurzer, berechender Blick auf den Sec. Nur Sekundenbruchteile. Ganz kurz. Dann drehte sich der Kopf wieder zu den Mäusen. Seine innere Barriere wurde auf eine harte Probe gestellt. Der Geruch war allmächtig, die Geräusche des Lebens unüberhörbar. Seine Nerven waren wie Stahlseile gespannt, seine linke Hand ballte sich zu einer Faust, der gesamte linke Arm zitterte unter der Anspannung. Ganz eben, ganz sachte. Sein Blick hing fest an den Mäusen. Wie sie sich wohl bewegen würden, wenn er hinter ihnen her war? Würde er sie fangen können, und wie schnell? Würden sie bluten, wenn er sie zertrat, zerbrach, auseinander riss? Was würden ihre Augen sagen? Fragen explodierten im Kopf des Jungen, Gedanken, die er sich nicht ansehen ließ. Er wollte nur eins: Blut.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...