Rrrrums! Mit einem Krach ist die Tür zu und sämtliche Panzerplatten des Raums wirken von innen wie Spiegel. Caes verzieht das Gesicht. Die Form des Raums würde Mortis statt einer Maus viele vorgaukeln. Mal sehen, wie schnell er in der Lage ist, die Abmessungen des scheinbar verzerrten Raums zu begreifen und die richtige Maus zu erwischen. Ohne ein Wort öffnet Caes die erste Klappe und eine verängstigte Maus rast quietschend über den Boden. Durch die Glasfront beobachtet er nun neugierig, was Mortis tun wird...
Mortis' Herz begann zu flattern. Der Raum war geschlossen, verzerrt, überall huschten weiße Körper am Boden, und für einen Moment ließ die Konfusion, ließen die extrem vielen neuen Sinneseindrücke den Jungen erstarren. Jedoch nur für einen Moment. Dann erfasste die kalte Logik sein Denken. Er hatte den Raum gemustert, registriert, sich gemerkt. Sieben Ecken. Sieben Wände. Er stand an einer Wand, die schräg vom Eingang lag, also seitlich. Der Raum hatte eine bestimmte Größe, die Mitte war durch Nachdenken und umsehen schnell gefunden. Und wer die Mitte und eine Seitenwand eines Raumes hatte, hatte schon gewonnen. Es dauerte nur wenige Sekunden, da hatte er die Mitte, den Rücken an der Wand, um nicht die Orientierung zu verlieren. Die Maus sah er Augenblicke später. Nicht weit von der Mitte entfernt, zwischen dem Punkt und der gegenüberliegenden Ecke. Das kleine Wesen wirkte ebenfalls verwirrt. Durch Mortis' undurchdringliche Miene konnte man nicht sehen, ob er die Maus nun beobachtete oder fixierte. Doch er wusste, was zu tun war. Es ging blitzschnell. Obwohl er seit nur wenigen Minuten wirklich lebte und sich bewegte, wusste er sofort, wie er die benötigte Muskelspannung aufbaut, um sich zur Maus zu katapultieren, wusste, wie er seinen Körper krümmen musste, wusste den Absprungswinkel, den er benötigte. Er schoss auf die Maus zu, die Hände nach vorne gestreckt, zielsicher. Mit einem dumpfen Aufprall und einem widerlichen Knacken landete er genau da, wo er wollte: auf allen Vieren in der Hocke, die Handflächen über Kreuz auf die in Todeskrämpfen zuckende Maus gepresst. Das Tier lebte nicht mehr, doch das Rückenmark befahl die letzten Bewegungen. Mortis hob fasziniert das zappelnde Wesen am Schwanz hoch und begann, die Knochen einzelnd zu zerbrechen, ähnlich eines Mädchens, das herausfand, was ihre Puppen aushielten.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Er ist eine Bestie. Schlimmer als Ascar. bemerkt Aerlinn, dessen Rollstuhl neben Caes auftaucht. Der Sec lächelt nur, den Blik fest auf Mortis geheftet. Vielleicht wäre Ascar ja auch so geworden... vielleicht war Ascar einmal so gewesen? Du solltest dich konzentrieren. fällt Aerlinn in seine Gedanken ein. Aber Caesarion beobachtet nur wie gebannt das ekelhafte Schauspiel das Mortis bietet. Ich frage mich, wann er auf den Unterschied zwischen Mensch und Tier kommt... er hatte dein Blut und das der Maus. Ob das einen Unterschied macht? überlegt der Forscher fast träumerisch.
Mit beinahe zärtlichen Bewegungen betrachtete Mortis die nun schlaffe Maus genauer. Er strich ihr vorsichtig über das weiße Fell, besah sein Spiegelbild in den toten, roten Augen des kleinen Tierchens. Ruckartig riss er den kleinen Körper auseinander. Blutspritzer zogen sich in einer geraden Linie über den Boden und die Spiegel, als er die beiden Hälften schwungvoll wieder in seine Richtung riss. Abermals lag dieser benebelnde Geruch in der Luft, metallisch, salzig, lebendig. Er ließ die Maushälften sang- und klanglos fallen um sich dem Blut zu widmen, das nun seine Hände bedeckte. Er leckte er sich genüsslich von der Haut, ohne einen Tropfen zu vergießen, ließ nicht den kleinsten Rest an der Hand kleben. Einzig und allein seine Lippen waren nun rötlich verfärbt, und er leckte sich mehrmals über selbige, während er wieder die beiden Hälften des Tieres aufsammelte und begann, mit dem Interesse eines Biologen, der eine neue Tierart vor sich liegen hatte, das Wesen auszuwaiden.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Das ist sinnlos. Und ekelhaft. Das braucht er nicht. bemerkt Caes und seine Hand bewegt sich schon in Richtung des nächsten Türchens als Aerlinn ihn innehalten lässt. Sir? erkundigt er sich dann ehe sein Blick wieder zu Mortis wandert. Eine Maus auswaiden - so etwas stumpfsinniges könnte auch ein Schlachterlehrling. Dazu hat er Mortis nicht hergebracht. Warte. Ich will ihn weiter beobachten. Er lernt noch, vergiss das nicht. Ich bin gespannt, welche Erkrnntnis der Junge aus diesem Vieh zieht.
Mortis' schlanke, untrainierte Hände waren abermals mit Blut besudelt, doch diesmal ließ ihn das vollkommen kalt. Er riss die Organe und Knochensplitter aus dem Tier heraus, als hätte es ihm irgendein Leid angetan, als wäre es schuld für etwas, was ihn wütend machte. Darm, Nieren, Magen, Leber... diese Organe interessierten ihn nicht. Als er jedoch einen weiteren Fleischklumpen aus der Maus zog, hielt er inne. Das Herz schlug noch, schwach, aber es versuchte, seiner Aufgabe gerecht zu werden, eine Aufgabe, für die der benötigte Körper und das Blut fehlte. Mortis besah es sich neugierig, ein undefinierbares Glitzern in den Augen. Das war es also... es war für das verantwortlich, was er vergötterte, was seinem Leben den ersten Sinn gab. Sein Blick wurde beinahe zärtlich und leidenschaftlich, als er sich erhob und das Herz in einen sauberen Teil des Raumes brachte. Blutige Fußspuren hinterlassend wanderte er in eine Ecke und legte das Herz dort auf den Boden. Nun schlugen dort auch sämtliche Spiegelbilder des kleinen Dinges ihre letzten Schläge, bevor es verstummte. Die Leidenschaft starb in seinen Augen, und ungeachtet der Tatsache, dass er es Sekunden vorher noch zärtlich in den Händen gehalten hatte, trat er nun drauf, achtlos, desinteressiert. Er schlenderte in die Mitte des Raumes und wartete darauf, dass etwas geschah.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Was ist es... was macht den Unterschied zwischen ihm und Ascar? flüstert Caes. Bei ihr war die Blutgier sinnlich. Mortis ist einfach nur... Du. fällt Aerlinn ihm ins Wort. Das, was den Unterschied ausmacht, bist du. Seine Kälte, seine Grausamkeit sind dein Erbe. SO siehst du aus, wenn du arbeitest. Aerlinn lächelt, als Caesarions Miene mit einem Mal wieder kalt und nüchtern wird. Der Sec verliert seinen träumerischen Ausdruck und winkt einen der vorbeieilenden Secs heran. He du! Mach da drin sauber... befiehlt er. Die Augen des Mannes weiten sich für einen Moment, dann nickt er aber und geht langsam zu einer Schleusentür, die in die Kammer führt.
Mortis verharrte still in der Mitte des Raumes, abwartend, mit dem Blut an seinen Händen spielend. Vorsichtig ließ er es von einer Hand zu anderen tropfen, fing es auf, wiederholte es. Er verarbeitete und prägte sich das ein, was er gesehen, gerochen, gefühlt und geschmeckt hat. Vor seinen geistigen Augen schlug das kleine Herz. Er überlegte, was er dabei gefühlt hatte. Macht, unter anderem. Die Macht, etwas solches in den Händen zu halten. Fühlte das dieser Mensch auch, der ihm das Blut gegeben hat? Fühlte er dasselbe, wenn er ihm, Mortis, einen Befehl erteilte? Macht... ein schönes Gefühl. Er horchte auf. Ein rhythmisches Geräusch war zu hören, und e snäherte sich. Schritte, Füße in Kampfstiefeln. Ein goldenes Blitzen erschien in seinen Augen. Blut... neues Blut.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Warum zögerst du? Rein da, ich warte nicht gerne...wiederholt Caes unleidlich. Daraufhin betritt der zögernde Mann aus der Schleuse heraus sichtlich vorsichtig die Kammer und bleibt wie angewurzelt stehen angesichts des widerlichen Bildes, das Mortis abgibt. Es hat Monae zuvor schon merkwürdige Gerüchte über blutige Vorfälle gegeben, denen keiner so recht glauben konnte und wollte... aber nun erkennt der Mann voll Entsetzen, dass sie wahr zu sein scheinen. Wahr und schlimmeres...
Mortis' Blick lag ruhig auf dem nun eintretenden Security. Der Blick, mit dem dieser die Räumlichkeiten betrachtete, sein Werk, amüsierte den Jungen. Entsetzen. Angst. Ekel. Die goldfarbenen Iriden seiner Augen blitzen wild auf. Der Gestank von Angst lag in der Luft, reizte ihn, flüsterte ihm zu, dass er ein Opfer gefunden hatte. Etwas, was besser was als die Maus, viel besser. Dies war ein Ziel... irgendetwas sagte ihm, dass er diesem Menschen etwas zuleide tun durfte. Er trat vor. Leicht lächelnd, die blutigen Hände halb hinter dem Rücken versteckt. Er brauchte nur Momente, Augenblicke, mehr nicht. Nur etwas näher an den Sec heran... perfekt. Er sprang vor, zog sich zusammen wie eine Feder und schoss vorwärts, die gefletschten Zähne zielgerichtet in die Richtung der Kehle des Secs führend. Man könnte ihn als männliche Furie bezeichnen... oder als Raubtier, dessen Instinkte beim Angstgestank verrückt spielten.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Wenn ich je Zweifel gehabt hätte, wären sie jetzt weg... Caes beobachtet, wie Mortis den entsetzten Sec angeht. Die gleiche perfide Freude, die gleiche brutale professionalität. Der Sec ist praktisch chancenlos solange seine Angst Mortis in einen Rausch katapultiert. Der Mann reißt die Arme hoch und versucht sich gegen den anspringenden jungen Sec zu schützen
Ein jämmerlicher Versuch, sich zur Wehr zu setzen. Der Sec hätte auch genauso gut nichts machen können. Mortis' bracuhte nur Augenblicke, um die Situation umzudenken und sich seitlich in den Hals des Secs festzubeißen. Seine Finger krallten sich um dessen Handgelenke, er stand breitbeinig, um das Gleichgewicht halten zu können. Es machte ihm Spaß... Spaß, die Muskeln des Secs unter seinen Zähnen fühlen zu können, Spaß, die Gegenwehr zu parieren, Spaß, Schmerz zuzufügen. Köstliches Blut rann über seine Zunge, besser als das der Maus, aber keineswegs von solcher Qualität wie das von Caes.
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Soll ich eingreifen? Nein, warte noch ein wenig. Noch stirbt er nicht. Aber warte auch nicht zu lange. Mortis muss erst noch lernen, die Dinge abzuwarten. erwidert Aerlinn ehe er verschwindet. Er hat gesehen was er wollte. Caes nickt. Erst nach etwa zehn Minuten geht er in den Raum mit Mortis und dem mittlerweile vollkommen panischen Mann Mortis. Lass ihn mal kurz los. befiehlt er knapp.
Mortis ließ alles an dem Mann aus, der ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Sämtliche Versuche, sich zu wehren oder zu fliehen wurden erbarmungslos abgeblockt und mit weiteren Bissen oder Schlägen quittiert. Die Augen des Jungen funkelten golden auf, jedes Mal, wenn ein weiterer Tropfen Bluit seine Zunge benetzte. Als Caes den Raum betrat, ignorierte Mortis ihn zunächst, doch als er den Befehl gab, den Sec loszulassen, zuckte Mortis wie von einer Peitsche getroffen zurück. Sein Blick wich nicht von dem Sec, doch seine Aufmerksamkeit galt Caesarion. Was?
Der, Der du im Schatten wandelst, Der, Der du behutsam handelst, Der, Der keine Miene zieht, Der, Der lieber stirbt als flieht, Der, Der niemals Ängste zeigt, Der, Der stets zum Kampf bereit, Der, Der nichts und niemand scheut...
Caes lächelt Mortis verschwörerisch zu. Dann kniet er sich ebenfalls neben dem Mann nieder und flüstert ihm etwas ins Ohr. Kurz darauf weiten die Augen des unglücklichen Secs sich und sein ganzer Körper verkrampft. Dann richtet Caes sich wieder auf und sieht Mortis an. Lerne, dir Zeit zu nehmen. Reine Macht ist die eine Hälfte, das beherrscht jeder. Die andere ist, zu wissen, wann man wartet. Die besten Ergebnisse erzielst du nur wenn du alles darüber weißt. erklärt er ruhig. Meinst du, er hier hat schon darüber nachgedacht, ob der Tod ihm vielleicht nicht doch willkommen wäre?